AUFGELESEN


Rückkehr aus der Laliderer Nordwand - 1929

 

..."Die Kletterschuhe waren arg mitgenommen, neugierig sahen die Zehen hervor. Wie vier Berg-

lumpen strolchten wir mit zerissenen Schuhen einher. Aber was macht uns das aus, wir waren glücklich und zufrieden, durch die ausgedehnten Wälder und die Almen wandern zu können, das Erleben der letzten beiden Tage im Sinn.

Daß man uns im Gasthof in Scharnitz einigermaßen mißtrauisch beäugte, störte uns ebensowenig. Gewisse abschätzende Blicke änderten sich ohnehin schnell genug, als wir unsere Rucksäcke und die 'Genagelten' (Bergschuhe, Anm.) verlangten, die der Hüttenträger getreulich hier abgeliefert hatte.

Und als wir ein gewaltiges Mahl bestellten, da vergaß man die vorwitzigen Zehen, die aus den Kletterpatschen hervorschauten. Auch in den Bergen machen Kleider eben Leute.

Die Bergsteiger urteilen freilich nicht nach der feinen Schale; sie erkennen meist den ganzen Menschen auf Anhieb."

 

 

[Foto/Auszug aus "Felstürme und Eiswände", Felix Simon, 1957]


'Du sollst nicht mit Gewalt ein berühmter Kletterer werden wollen!'

 

Hasche nicht nach kleinlichen Varianten. Gib nicht den kläglichen Sandsteinhaufen, den du zuerst

erklettern hast, als großartige Neubesteigung aus. Verachte alle künstlichen Hilfsmittel. Geh als

Anfänger nicht gleich an Renommiertouren. Lerne in dieser Hinsicht aus den zahlreichen Unfällen

an der Gans-Südwand, Barbarine, Jungfer, Torsteinnadel. Mache auch nicht in den Zeitungen mit

deiner Leistung Reklame; bloß die Henne gackert, wenn sie ein Ei gelegt hat. Die Tat ist alles, der

Ruhm ist nichts.

 

Gebote für Bergsteiger in der Sächsischen Schweiz, 1914


Vielseitig ist die Ausrüstung eines Erstbegehers

Höllenhund - Westkante, Elbsandsteingebirge 1922

 

Der Erstbegeher Alfred Hermann berichtete später...

"Wir waren eine gute Truppe. In der Woche ging jeder seiner Arbeit nach. Martin Hofmann war Versicherungskassierer, Richter arbeitete als Schlosser, Hage hatte Dreher gelernt. Paul Hofmann, der Schmied, sorgte für den notwendigen Ringnachschub. Übers Wochenende steckten wir voller Tatendrang. Sowenig wie möglich Eisen in den Fels, war damals die allgemeine Losung. Und schön mußten die Wege sein, die wir klettern wollten! Die Höllenhund-Westkante hatten wir uns vorher gründlich angesehen und festgestellt, daß es gehen müßte. Ich entsinne mich noch genau. Wir kamen aus Wehlen von der Sonnenwendfeier.  Unter dem Höllenhund wurde gebooft. Damals schliefen wir viel unter den Wänden. Man war gleich an Ort und Stelle und sparte den langen Anmarsch vor der Bergfahrt. Im Morgengrauen, so gegen 3.15 Uhr, stiegen wir ein. Eine wohltuende Stille lag über dem sonst so lauten Rathen. An der Kante baute mir Martin Hofmann, dann schlug ich oben, an der Felsnase, einen Ring. Der Weiterweg um die Kante wurde zu einem mühevollen Abräumen von Gesteinstrümmern...

Bruch - Bruch - nichts als Bruch. Endlich stand ich weiter oben, unter dem Loch, günstiger und wollte einen zweiten Ring schlagen. Inzwischen war auch Paul Hofmann bei uns eingetroffen. Er hatte bis spät in die Nacht in Wehlener Lokalen gesessen und verspürte nicht den geringsten Elan, sich unsrem Unternehmen anzuschließen. Deshalb wurde er auf die Eule beordert (Nachbargipfel), denn die Verständigung um die Kante herum klappte überhaupt nicht. Paul sollte von dort aus die Kommandos weiterleiten."  [...]  "Doch das Schlimmste sollte noch kommen. Als ich einen zweiten Ring schlagen wollte und ein ca. 3 cm tiefes Loch gebohrt hatte, flog der Hammer in hohem Bogen vom Stiel. Keiner wußte wohin. Auch unser Mann auf der Eule nicht, denn der war inzwischen eingeschlafen. Was blieb mir übrig? Ich verkeilte Meisel und Ringschaft so gut wie möglich in dem halbfertigen Loch, legte Schlingen um alle sich bietenden Gelegenheiten und holte nach. 'Du bist verrückt, Fred', sagte Martin Hofmann, als er bei mir ankam. Bloß weg von hier!' Alles andere ist schnell erzählt. Wir kamen gut durch die Wand. Nur dauerte es seine Zeit, bis alle auf dem Gipfel eintrafen. Erst in der Dunkelheit erreichten wir in Rathen den letzten Zug nach Dresden."

 

 

   [Foto/Auszug aus "Klettern im sächsichen Fels" (2. Aufl.),

    Karl Däweritz, Sportverlag Berlin, 1983]