ERLEBT...


Ein Tag im Schwemmteichbruch

 

Es war einer dieser Tage im zeitigen Frühling, die noch ganz von der Strenge des Winters gekennzeichnet waren. Etwas zugig, eigentlich noch zu kalt zum Klettern, aber die Sonne schaut schon raus und macht Lust auf's Draußensein. Wie schon öfter in den vergangenen Jahren fiel unsere Wahl deshalb auf den Schwemmteichbruch. Er liegt idyllisch mitten im Wald, die Liegewiese am See ist ringsum von Steinbruchwänden gesäumt und – was für mich am wichtigsten ist – es gibt noch schönes Erstbegehungspotential.

Die Wände bekommen die volle Sonne ab und sind gleichzeitig windgeschützt – ideal für diese Wetterlage. An diesem Tag hatte ich mich mit Goy aus Dresden verabredet. Das ist fair, denn von Halle oder Dresden sind es jeweils genau eine Stunde bis zu diesem Kletterspot im Klosterwald bei Grimma. Wir haben beide unsere Ideen. Goy hat ein altes Projekt im Auge, welches Local Balu aus Grimma eingebohrt hat, das aber von niemanden von uns bisher enträtselt werden konnte. Es ist ein grifflose Verschneidung mit kleinem Dächlein drunter – keine Ahnung, wie Goy das machen will. Ich habe dagegen rechts der linken Höhle etwas Neues eingebohrt und auch schon geputzt, nun muss ich es eben nur noch klettern.

Wir breiten unsere Sachen auf der Wiese aus und klettern uns mit der schönen Balu-Jörn-Route Sche Scha ein. Die verläuft in schönem festen Fels und ist VIIIa, zumindest, wenn man nicht nach rechts auskneift. Aber auch als Auskneifervariante kann man sie schön klettern, dann ist es eben nur VIIb, macht aber trotzdem Freude.

Verkehrte Welt: Goy klettert Geralds Route Schwingtür IXb (o.) und Gerald sieht man in Goys Kreation Adept Xa.        

Fotos: Krug/Mohyla

 

Goy gelingt es tatsächlich nach vielen Versuchen eine Lösung für das seltsame Verschneidungsproblem zu finden: er verklemmt das Knie fast überkreuzt unter dem Minidächlein und schiebt sich per Körperspannung in der grifflosen Verschneidung aufwärts. Und wirklich erreicht er oben zwei runde Buckel, die er abpatscht und mit Hilfe eines kleinen Ein-Finger-Nippels, an dem der Fuß neben die Hand zu stellen ist, kann er die vorher unmöglich erscheinende Passage überlisten. Ich bin erstaunt und freue mich wie ein Schneekönig, dass damit das für unkletterbar gehaltene machbar wird – Gratulation an den findigen Erstbegeher! Bescheiden tituliert Goy die Route Adept (Schüler), denn er hat an ihr gelernt, und nicht nur er! Als Grad schlägt er Xa vor, mag sein, dass die Zugabfolge schwerer ist, aber es ist eben eher nur ein Boulder und schwierig zu bewerten.


 

Zwischendurch kommt eine ältere Dame mit ihrem Hund vorbei, wir grüßen freundlich und sie erzählt, dass sie sich freut uns hier zu sehen, denn es werde selten hier geklettert. Sie wünscht uns alles Gute und der Wald verschluckt sie wieder. Nette Menschen, hier in Grimma! Nun bin ich dran. Meine Tour hatte auch nach dem Putzen noch ein paar verdächtige Risse, die ich mit Kleber verschlossen habe, damit nichts rausbricht. Es handelt sich um eine Zugabfolge, die von einem Henkel, vielen Seitgriffen, einem scharfen Einfingerloch und einem beherztem Kampf gegen die offene Tür charakterisiert ist. Endlich kann auch ich es Rotpunkt klettern und nenne sie wegen ihrer Ansprüche Schwingtür. Als Grad schlage ich IXb vor. Es war ein perfekter Tag an einem schönen Ort – und wir kommen sicher bald wieder, denn hier gibt es noch viel zu tun.

 

Nachtrag: Als ich nach Hause komme, höre ich von Freunden, die am selben Tag im Aktienbruch an den Südwänden geklettert haben, dass es kalt und zugig trotz des Sonnenscheins war. Der "Schwemmi" war also die richtige Entscheidung!

 

von Gerald Krug  02/2015